Das Urteil zur Ungleichheit – Wie sich das Bundesarbeitsgericht entschieden hat:

Das Thema der Geschlechterdiskriminierung und ungleicher Bezahlung beschäftigt seit Jahren die Gesellschaft und insbesondere die Arbeitswelt.
Rechtsanwältin Frau Kathrin Theis

In Deutschland verdienen Frauen im Durchschnitt immer noch weniger als Männer, was auf eine hohe geschlechtsspezifische Entgeltlücke hinweist. Um dieser Ungleichheit entgegenzuwirken, fordert der Gesetzgeber eine Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. Doch wie sieht die rechtliche Situation in der Praxis aus? Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um eine gerechte Bezahlung zu gewährleisten? Dieser Blogartikel gibt einen Überblick über das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Ungleichheit und zeigt auf, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer tun können, um die Entgeltgleichheit zu fördern.

Was besagt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Ungleichheit?

Frauen haben Anspruch auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit. Wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt, liegt eine Diskriminierung vor. Die Tatsache, dass der männliche Kollege sein Gehalt „besser verhandelt“ hat, kann keine zulässige Grundlage für eine unterschiedliche Behandlung darstellen. Das ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 16.02.2023 – 8 AZR 450/21).

Zur Situation der Klägerin

Die Klägerin war seit dem 1. März 2017 im Vertrieb des beklagten Unternehmens tätig. Ihr Grundentgelt betrug zu Beginn der Anstellung 3.500,- € brutto. Von August 2018 an wurde ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag geregelt, der die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Gemäß dieser Eingruppierung stünde der Klägerin eigentlich ein Grundentgelt von 4.140,- € zu. Die Vereinbarung sah allerdings ebenfalls eine Deckelung der Gehaltserhöhungen auf maximal 120 Euro brutto pro Jahr vor, weswegen die Klägerin in Anwendung dessen ab August 2018 lediglich 3.620,- € verdiente.

Ein männlicher Kollege erhielt ein höheres Gehalt

Im Vertrieb des Arbeitgebers arbeiteten ebenfalls zwei männliche Kollegen, von denen einer in seinen Vertragsverhandlungen ein besseres Grundentgelt für sich gewinnen konnte. Ihm wurde ebenfalls vom Arbeitgeber ein Grundentgelt von 3.500,- € brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Stattdessen handelte er ein Grundentgelt von 4.500,- € für die Dauer der Einarbeitungszeit aus. Der Arbeitgeber begründete dies damit, dass der männliche Arbeitnehmer zum einen sein Gehalt besser verhandelt habe und zum anderen eine ausgeschiedene, besser vergütete Vertriebsmitarbeiterin ersetze.

Die Klägerin fordert eine Nachzahlung und Entschädigung

Die Vertriebsmitarbeiterin verklagte den Arbeitgeber auf die Zahlung rückständiger Vergütung in Höhe von insgesamt 14.500,00 Euro brutto. Sie hielt es für angemessen, die gleiche Vergütung zu erhalten wie der männliche Kollege, da sie gleichwertige Arbeit ausübe. Sie werde außerdem durch die geringere Entlohnung diskriminiert. Zudem beklagt sie, dass die tarifvertragliche Regelung zur Deckelungsgrenze unwirksam sei, da diese die rechtswidrige Entgeltdiskriminierung festigt. Ferner verlangte die Arbeitnehmerin für die Diskriminierung eine angemessene Entschädigung.

Bundesarbeitsgericht gibt der Klägerin Recht

Am 16. Februar 2023 hat das Bundesarbeitsgericht der Klägerin jetzt recht gegeben. Damit kippt das BAG die Urteile der Vorinstanzen, welche die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen hatten und der Argumentation des Arbeitgebers nachgaben. Dieser hatte argumentiert, dass das höhere Gehalt des männlichen Kollegen aufgrund der mit ihm geführten Verhandlungen entstanden ist und im Rahmen der Vertragsfreiheit vollkommen korrekt und somit zulässig sei. Das sah jetzt das Bundesarbeitsgericht anders und sprach der Klägerin nicht nur die Entgeltnachzahlung zu, sondern auch eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts in Höhe von 2.000,- €. Der 8. Senat des BAG befand, dass durch die ungleiche Bezahlung der Arbeitnehmerin im Vergleich zum Arbeitnehmer eine Benachteiligung aufgrund Ihres Geschlechts durch den Arbeitgeber stattgefunden habe.

Verhandlungsgeschick ist somit kein Grund für ungleiche Bezahlung

Das Argument, dass die höhere Entlohnung des Kollegen nicht auf das Geschlecht, sondern auf ein besseres Verhandlungsgeschick zurückzuführen ist, entkräftet die Vermutung der Diskriminierung nicht, so das Gericht. Das weitere Argument, die bessere Vergütung des männlichen Arbeitnehmers hänge mit der Nachfolge auf eine ausgeschiedene Arbeitnehmerin zusammen, ließ das Gericht ebenfalls nicht gelten. Auch dadurch sei die Vermutung auf eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nicht zu widerlegen. 

Fazit

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist wegweisend im Hinblick auf den Equal-Pay-Grundsatz. Es zeigt deutlich auf, dass Verhandlungsgeschick oder die Nachfolge auf eine besser vergütete Mitarbeiterin keine zulässigen Gründe für eine ungleiche Bezahlung aufgrund des Geschlechts darstellen. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer geschlechtergerechten Bezahlung und verdeutlicht, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierbei eine gemeinsame Verantwortung tragen. Eine Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch ein wichtiger Schritt hin zu einer fairen und gerechten Gesellschaft.

 

Wenn Sie vor diesem Hintergrund als Arbeitgeber Fragen zur zulässigen Lohn-/Gehaltgestaltung in ihren Arbeitsverträgen haben oder als Arbeitnehmer denken, dass sie von ihrem Arbeitgeber aufgrund Ihres Geschlechts benachteiligt werden, dann melden Sie sich bei Ihrer Rechtsanwältin Kathrin Theis von Theis Law in Lehrte – Sehnde – Rethmar! Gerne berate und vertrete ich Sie!

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